
Airbus bekommt Aufwind aus China
12.06.2025 | 22:06
Die chinesische Regierung untersagte seinen Fluggesellschaften im April 2025, im Zuge des US-Zollchaos, Boeing-Flugzeuge zu erwerben. Dem europäischen Branchenprimus Airbus winkt nun ein großer Kaufauftrag aus China.
Medienberichten zufolge verhandelt Airbus über die Lieferung von bis zu 500 Flugzeugen an chinesische Fluggesellschaften – konkretere Informationen und Rahmenbedingungen könnten möglicherweise beim Besuch europäischer Staats- und Regierungschefs in Peking im Juli dieses Jahres bekannt werden. Gemäß Expertenmeinung besteht bei chinesischen Airlines nach mehrjähriger Zurückhaltung ein wachsender Bedarf an Flottenmodernisierungen (Reuters, 04.06.2025).
Ein solcher Auftrag wäre nicht nur für Airbus von großer Bedeutung, sondern könnte auch politische Implikationen mit sich bringen. Noch im April dieses Jahres sprach die chinesische Regierung ihren Fluggesellschaften ein Verbot für den Erwerb von Flugzeugen des US-amerikanischen Konkurrenten Boeing aus. Obwohl noch Unklarheit darüber herrscht, ob diese Maßnahme langfristig andauern wird, herrscht für Airbus in Peking unbestritten ein günstigeres Klima. Das Unternehmen ist bereits seit Jahren in China präsent und verfügt im Land über Produktionsstandorte, Kooperationen und Forschungseinrichtungen. So betreibt Airbus beispielsweise in Tianjin eine Endmontagelinie für die A320neo-Familie. China hat jedoch in der Vergangenheit gerne vor Staatsbesuchen größere wirtschaftliche Geschäfte in Aussicht gestellt und nutzte diese als diplomatische Lockvögel.
Lieferschwierigkeiten belasten Produktion
Während neue Aufträge winken, kämpft das Unternehmen weiterhin mit anhaltenden Produktionsengpässen. Im Mai 2025 lieferte Airbus laut Reuters lediglich 51 Flugzeuge aus – ein Rückgang von 4 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat. Auf Jahressicht ergibt sich damit ein Minus von rund 5 Prozent. Zu Jahresbeginn hatte sich Airbus noch das ambitionierte Ziel gesetzt, bis Ende 2025 rund 820 Maschinen auszuliefern – eine Vorgabe, die angesichts der bestehenden Lieferkettenprobleme zunehmend unter Druck gerät. Brancheninsider (Reuters, 28.05.2025[RM1] ) gehen inzwischen davon aus, dass sich die Verzögerungen sogar bis ins Jahr 2028 ziehen könnten. Vor diesem Hintergrund bleibt auch offen, wann und in welchem Tempo ein möglicher Großauftrag von über 500 Flugzeugen tatsächlich realisiert werden könnte.
Besonders betroffen von den Lieferschwierigkeiten sind die Modelle A320 sowie A321. Obwohl sich Airbus vorgenommen hatte, die Produktion seiner Verkaufsschlager auf 75 Maschinen monatlich hochzuschrauben, hinkt Airbus nach. Probleme bei Zulieferbetrieben, wie beispielsweise Triebwerksherstellern führen dazu, dass Flugzeuge nicht fristgerecht ausgeliefert oder gewartet werden können – was wiederum bei Fluggesellschaften zu Flugstreichungen und Reduktionen von Flugplänen führt. Um dem entgegenzuwirken, hat Airbus im April 2025 die Übernahme mehrerer Produktionsstandorte von Spirit AeroSystems angekündigt. Die in den USA, Europa und Afrika angesiedelten Werke dieses ehemals unabhängigen Zulieferers spielen eine wichtige Rolle bei der Produktion von Rümpfen und weiteren strukturellen Segmenten. Durch diese Maßnahme versucht das Unternehmen, die Kontrolle über kritische Produktionsschritte zurückzugewinnen und die eigene Lieferkette zu stabilisieren.
US-Zölle auf Stahl und Aluminium setzen Luftfahrt unter Druck
Trotz der Zuversicht mit Blick auf China gerät Airbus durch US-Importzölle unter zusätzlichen Druck. Die US-Regierung verkündete zuletzt (The White House, 03.06.2025) eine Verdoppelung der Zölle auf Stahl- und Aluminiumimporte. Dies könnte Folgen für die breitere Luftfahrtindustrie mit sich bringen. Noch sind Komponenten des Flugzeugbaus gemäß einem in den 1980er-Jahren eingeführten Handelsbeschluss der WTO (World Trade Organization) eigentlich von Zöllen befreit – das könnte sich jedoch ändern. Gemäß Howard Lutnick, dem Handelsminister im Trump-Kabinett, könnten solche Zölle auf Flugzeugteile bald Realität werden (Bloomberg, 04.06.2025). Sollte diese Maßnahme umgesetzt werden, könnte auch Airbus davon betroffen sein. Das Unternehmen verfügt im US-Bundesstaat Alabama (Mobile) über einen Endmontagestandort, an dem unter anderem Flugzeuge der A320neo-Familie montiert werden.
Gelingt Airbus der Take-Off?
Die Aktie von Airbus entwickelte sich seit Jahresbeginn eher verhalten (rund +3,30 Prozent am 10.06.2025), während der Konkurrent Boeing nach einem schwierigen Jahr 2024 seit Jahresbeginn kräftig zulegen konnte (rund +26,50 Prozent). Auch der Benchmark-Index STOXX® Europe 600 Industrial Goods & Services, der europäische Industrietitel umfasst, schnitt mit einer Performance von rund +14 Prozent seit Jahresbeginn besser ab als die Airbus-Aktie.
Wie es für Airbus und die gesamte Luftfahrtbranche weitergeht, bleibt offen. Der potenzielle Großauftrag aus dem Reich der Mitte könnte Airbus zwar neue Dynamik verleihen, jedoch müssen konkrete Ergebnisse erst noch formalisiert werden – zudem müssen auch interne Produktionsineffizienzen von Airbus nach wie vor angegangen werden. Parallel bleiben Auswirkungen der US-Zollpolitik wie auch bei anderen Branchen noch unklar. Die Frage, ob und wie sich Lieferketten und Produktionsprozesse auf das neue Umfeld anpassen können, ist ebenso offen wie der Fortbestand der Zölle selbst.